Montag, 2. Januar 2006

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Wenn man ein Gehirn, das an den üblichen Unterricht an deutschen Schulen gewöhnt ist, fragt, mit welchen Erwartungen es in den Unterricht geht, dann würde es wohl folgendes antworten: Ich werde nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Dies ist eine alarmierende Nachricht, in zwei Hinsichten: Erstens offenbart die Antwort natürlich all die Unzulänglichkeiten des traditionellen Unterrichts. Zweitens bedeutet die Antwort auch, dass das Gehirn schon "abschaltet", bevor der Unterricht überhaupt beginnt - es erwartet ja nichts! Das ist natürlich die denkbar schlechteste Ausgangslage für erfolgreiches Lehren und Lernen.
Wenn wir also erfolgreich unterrichten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass das Gerhirn im Unterricht etwas zu sehen, zu hören und zu sagen bekommt, das ihm schmeckt. Frontalunterricht kann dies sicher ebenso wenig bieten, wie der übliche lehrerzentrierte Unterricht.
Ich habe vor kurzem eines der vielen Bücher über offenen Unterricht gelesen, geschrieben von einer Grundschullehrerin, die von ihren eigenen Erfahrungen berichtet und offenen Unterricht von Beginn der ersten Klasse an praktiziert. Auf Sehen und Hören hat diese Unterrichtsform nicht unbedingt Auswirkungen, aber auf jeden Fall auf den Sprechanteil der einzelnen Schüler. Da die Schüler sehr viel untereinander kommunizieren, ist ihr täglicher Redeanteil sicher länger als der bundesdurchschnittliche von 8 Sekunden.
Was das Hören angeht, kommt es vor allem auch auf die Hörpausen an. Es gibt zwei Formen von Hörpausen, die Prof. Schmid als Zwillingsschwestern bezeichnet: Die Stille und die Musik.
Als Prof. Schmid die Stille als erfolgreichstes Mittel im Grundschulunterricht erwähnte, fiel mir sogleich folgendes ein: Ich fragte einmal einen frisch eingeschulten Freund meines Sohnes, wie es ihm in der Schule gefiele. Seine Antwort: "Gut, nur dass die anderen immer so laut sind, das gefällt mir gar nicht!" Diese Antwort gab mir schon gleich sehr zu denken, denn der Junge ist seit Jahren ganztags im Kindergarten und ist dadurch zwangsläufig an einen gewissen Lärmpegel gewöhnt! Doch in neuem Licht betrachtet, scheint mir, dass dieses gefragte Gehirn noch lautstark nach dem verlangt, was es braucht. Wie lange es wohl dauert, bis ein Gehirn so abstumpft, dass man den Unterricht einfach so über sich ergehen lässt, ohne ein Gefühl der Auflehnung?
Ich kann mir gut vorstellen, dass es den Schulalltag extrem verändert (zum Guten natürlich), wenn man sich regelmäßig die Stille "als Gast einlädt". Noch mehr, wenn Singen oder auch Musikhören zu jeder Unterrichtsstunde ganz selbstverständlich dazu gehört. Prof. Schmid empfiehlt drei Minuten Musikhören pro Stunde, auf die Art der Musik komme es dabei nicht an.
Auch das Hausaufgabenmachen mit Musik soll gut sein, jedenfalls für alle, die es mögen. Das wussten wir eigentlich doch alle schon längst aus eigener Erfahrung - und trotzdem hätte ich mich ja fast dazu verleiten lassen, es meinem Sohn zu verbieten...

Ganz allgemein stellt sich, finde ich, auch die Frage, wann Unterricht oder Lehren und Lernen denn überhaupt erfolgreich ist. Sicherlich dann, wenn das Gelernte den Schüler in seinem wirklichen Leben auf irgendeine Art und Weise voranbringt. Und sicher nicht dann, wenn eine Klassenarbeit gut ausgefallen ist. Es stellt sich dann ja automatisch auch die Frage nach den Inhalten. Und an der Stelle wird es kompliziert. Wenn ich das Seminar von Prof. Schmid mit anderen Seminaren vergleiche, fällt mir auf, dass die Menge dessen, was Prof. Schmid uns vermitteln will eher gering ist, überschaubar. Dafür sollen wir es aber auch wirklich verinnerlichen. Klasse statt Masse halt.

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